Sportler-Talk in der Heuberg-Halle: Über veganes Essen, mentale Stärke, rosa Shirts und schon wieder eine Trainer-Absage an die Bayern

 

Die Heuberghalle verwandelte sich am 17. Mai für eine Stunde ins „Aktuelle Sportstudio“. Nur dass sich nicht alles um aktuellen Bundesliga-Fußball drehte, der Moderator von der ARD war und das Torwandschießen ausblieb. Spannend und unterhaltsam war die Podiumsdiskussion „Zwei Leben, eine Leidenschaft: Profisport und die Karriere danach“.

Fußball, ob zum Finale der Bundesliga-Saison oder der bevorstehenden Heim-EM, war einleitendes Thema. So stellte Sportjournalist Michael Antwerpes, der Moderator des Abends, die Orakel-Fähigkeit der Meßstetter auf die Probe. Wer aus dem Publikum vor dem 34. und letzten Spieltag (am 18. Mai, also tagsdrauf) dem VfB Stuttgart zutraue, die Bayern noch vom zweiten Tabellenplatz zu verdrängen, möge bitte aufstehen. Beinahe geschlossene Einigkeit, bestimmt über 90 Prozent erhoben sich von den Plätzen. Ob Schwaben-Treue oder Fußball-Kenner, es gab natürlich auch Bayern-Fans unter den über 700 Besucherinnen und Besuchern des Abends.

Wie unterhaltsam und locker die weitere Diskussionsrunde trotz des hintersinnigen Themas werden würde, zeigte sich beim nächsten Fußball-Pass zum Youngster des Abends: Von Max Maute aus Albstadt, normalweise auf dem Sattel des Kunstrads der Virtuose, wollte Antwerpes wissen, wie ihm denn der neue EM-Dress der Kicker mit dominierendem Pink gefalle. Der sympathische Vizeweltmeister konterte, ohne groß zu überlegen, treffsicher mit  „Klar, warum denn nicht, wir sind ja auch immer in Leggings Rad gefahren“ und erntete gleich einen Riesenbeifall. 

Vernunft im Sport und danach

Nach der Aufwärmphase sollte es jetzt aber so langsam ernster werden auf dem Platz, sprich dem Podium. Vor der Fragestellung „Zwei Leben, eine Leidenschaft: Profisport und die Karriere danach“ stehen schließlich früher oder später alle Spitzensportler. Und nicht jeder ist ein Cristiano Ronaldo, ein Lewis Hamilton oder eine Steffi Graf, der oder die dank überbordendem Bankkonto für die Ewigkeit ausgesorgt haben. Und selbst das ist noch kein Garant, wie der (zu) lockere Lebensweg eines anderen deutschen Tennisstars zeigt. Weitsicht und Augenmaß – Begriffe, die Bürgermeister Frank Schroft in seiner kommunalpolitischen Betrachtung wählte – gelten auch im Sport, erst recht, wenn es ans Planen der „Karriere danach“ geht.

Bei den vier Gästen auf dem Podium des Meßstetter Bürgerempfangs scheint durchgängig die Ratio zu dominieren. Starten wir gleich nochmals mit Fußball und einem einstigen Star der Liga. Mit dem VfB Meister geworden war 2007 Timo Hildebrand, sieben Mal hütete er das Tor der Nationalmannschaft, heute betreibt er zusammen mit seiner Frau das vegane Restaurant „vhy!“ in Stuttgart und bietet Yoga an. Hüftprobleme haben letztlich seine Karriere als Profikicker beendet. „Trainieren, ohne zu wissen, ob ich je wieder spielen werde, war extrem hart“, erinnerte sich Hildebrand gut an jene Zeit des Wandels. Danach wollte er nicht nur „auf Interstuhl-Stühlen sitzen“, auch wenn sich die Runde in den bunten Designer-Sesseln des Tieringer Sitzmöbelherstellers sichtlich wohlfühlte beim Bürgerempfang. „Ernährung hat einfach einen Riesen-Einfluss auf uns alle“, umschreibt Hildebrand seine neue Berufung. Wer, wenn nicht ein Ex-Leistungssportler, sollte dies besser wissen.

Simone Hauswald, die einzige Frau im illustren Quarttet, war Biathlon-Weltmeisterin und zweifache Bronzemedaillen-Gewinnerin bei den olympischen Spielen 2010 in Vancouver. Schon immer war sie sehr gläubig, wollte sogar Pfarrerin oder Ärztin werden, Spiritualität gehöre zu ihrem Leben wie das tägliche Brot und somit einfach das stete Erkunden nach dem Sinn des Lebens, quasi die „Reise zu mir selbst“, wie sie sagte. Bei den olympischen Spielen 2006 in Turin mit dabei, aber nicht im Einsatz zu sein, sei ein Wendepunkt gewesen, um sich klarzumachen, was nötig sei, um „dabei zu sein“. Ihre weitere Karriere sollte ihr den gewünschten Erfolg bringen. Heute ist die ruhige, in sich ruhende, gebürtige Rottweilerin Mental-Coach und sehr zufrieden. 

Mental-Coaches spielen im Sport eine immer wichtigere Rolle und Spitzen-Athleten sollten sich neben hartem Training nicht scheuen, solche in Anspruch zu nehmen. „Ich habe zehn Jahre mit Mental-Coaches gearbeitet, jetzt helfe ich selbst mit meiner Firma Open Mind Synergies Menschen, die Menschen helfen“, erzählte Max Maute, der vor gut zwei Jahren seine Karriere beendete. Und nein, schuld am frühen Aufhören war nicht, dass ausgerechnet er bei einer Europameisterschaft den von seinem Vater Dieter erfundenen „Maute-Sprung“ versemmelt hatte. Maute folgte seiner Freundin, einst ebenfalls Kunstradfahrerin, nach Bremen und gründete zwei Start-Ups. Das forderte ihn zu 100 Prozent und für den Leistungssport blieb somit zu wenig Zeit.

Nico Willig, der Vierte im Bunde, war nicht in internationalen Sportsphären zu Hause. Vielleicht ist er gerade deshalb als Einziger auf dem Podium dem Leistungssport treu geblieben, wenngleich auch mit anderer Aufgabe. Der ehemals langjährige Spitzenspieler und Kapitän der TSG Balingen arbeitet heute im Nachwuchsleistungszentrum des VfB Stuttgart, wo er vor allem die U19-Kicker trainiert. Er besitzt die Fußballlehrer-Lizenz und weiß als solcher ebenfalls, wie wichtig die mentale Konditionierung ist. Für Jugendliche sei es äußerst schwer, mental stark zu bleiben, wenn der Druck zu hoch sei. Dieser komme nicht nur von der Liga selbst, sondern nicht selten vom Elternhaus. 

Ein „Nein“ nach München

Michael Antwerpes, der erfahrene Sportjournalist und TV-Moderator, glänzte in seiner Rolle als Diskussionsleiter immer wieder mit seinem facettenreichen, profunden Wissen, aber ebenso mit seiner bisweilen spitzbübischen Art und Weise, Fragen zu stellen und Einwürfe an seine Gesprächspartner zu verteilen. Sehr zur Freude des Publikums, das natürlich auf eine Frage fast schon gebannt wartete. Und Antwerpes wäre nicht Antwerpes, würde er diesen Ball Nico Willig nicht zuspielen. Er sei doch Trainer, arbeite erfolgreich, habe ja auch schon interimsweise die VfB-Profis trainiert… und beim großen FC Bayern wolle bislang ja keiner die Tuchel-Nachfolge antreten. Ein fragender Blick. Aber nein, die wirklich spitzenmäßige Schlagzeile des Abends sollte ausbleiben. „Der VfB bietet mir eine regelrechte Komfortzone, in der ich bestens arbeiten kann“, erklärte Sportwissenschaftler Willig. Hinzu kommt, dass der tägliche Heimweg ins geliebte Balingen nicht weit ist und sein Vertrag ganz aktuell verlängert wurde. Wenn das keine Argumente gegen München sind. (VB)